Laientheater

Im Schatten der Burg

Männertag auf der Burgruine – 18.05.2023

Ich blicke auf eine andere Welt, als die, aus der ich gekommen bin. Wo eben noch die Vögel gesungen hatten, schimpft nun der Donner und die starken Arme der Realität umfassen meinen Körper. Alltags-Schizophrenie? Sie drückt mich so fest, dass ich kaum mehr Luft holen kann. Wo ich eben noch Akteur gewesen bin, bin ich nun Zuschauer. Die Erörterung des Themas erfordert zunächst einen Rückblick:


“Voderdoch”

Was für ein irrer Tag, in der zweiten Mai-Hälfte! Christi Himmelfahrt, vielen eher geläufig als „Vatertag“ bzw. “Voderdoch”. Jaaa, genau, der Tag für eine Bier- und Bollerwagentour durch die Gegend mit reichlich flüssigem Gold im Gepäck. Liebe Männer, möchtegern Väter und jugendliche Alkoholiker. Dieser Feiertag hat einen religiösen Ursprung. Ich höre gedanklich unsere Walpurga sagen: „Ein wenig Zurückhaltung tät net schaden, Männers. Es endet ja ohnehin wie jedes Jahr. Zuhause anrufen und sich vom Eherochen abholen lassen. Und am nächsten Tag lautet euer Motto: Schatz, ich atme. Produktiver wird es heute nicht mehr.”

Temperaturmäßig wollte man in den letzten Tagen auch nur noch weg, aus dem Regengefluteten, kalten Deutschland in den sonnigen Süden. Und die Eisheiligen und Co. haben einen noch den Rest gegeben. Zumindest meinen Paprika und Tomaten im Garten. Laut Wetterbericht hatte Sonnenhoch Ulla eine satte Ladung Frost im Gepäck, in Gestalt von kühler Meeresluft von den Britischen Inseln. Brrrr – da war nicht viel mit Photosynthese bei mir. (Oder wofür ist der Spruch: “Hey, steh auf, die Sonne scheint.”)

Und zu guter Letzt waren nicht mal mehr Grüne in Sicht. Keine, Null. Nach den jüngsten Vettern-Wirtschafts-Enthüllungen macht es nämlich wieder richtig Spaß, Grüne zum Gespräch herauszufordern.

Vielleicht habe ich mich deshalb für ein grünes Kleid entschieden? Grün war im Mittelalter die Farbe der Liebe und ein Zeichen der Hoffnung. Auch wenn Grüntöne in der Regel damals sehr teuer waren, da sie Mischfarben sind und in der Farbensymbolik eher jungen Menschen vorbehalten waren.


Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage

Gott zum Gruße. Es war zur Zeit des Mittelalters, als das Land von mutigen Rittern, arbeitsamen Mägden und wilden Nordmännern bevölkert wurde.

Auf einer Burg lebte die junge Magd Alianor in Leibeigenschaft. Sie war eine eifrige und neugierige Frau, die stets davon träumte, Abenteuer zu erleben und die Welt jenseits ihrer Mauern zu erkunden.

Sie trug auf der Burg meist die typische Frauentracht dieser Zeit: Ein braunroter Rock und eine grüne Bluse. Gedämpfte Kleiderfarben, wie grau und gelblich mochte sie nicht. Diese trugen nur die Bauern und die niederen Stände, unten im Dorf. Farben waren im frühen Mittelalter wichtig! Da es nur wenige Menschen gab, die lesen und schreiben konnten, wurde die Farbsymbolik an Kleidungsstücken verwendet.

Eines Tages traf die Nachricht ein, dass eine Gruppe Söldner in der Nähe der Burg gelandet war. Neugierig strömten die Dorfbewohner zum Burgtor, um die Fremden zu sehen.

Unter den Söldnern, die Nordmänner waren, befanden sich tapfere und furchtlose Krieger mit imposanten Gestalten. Ihr starker Körperbau, mit fremdartigen Zeichnungen auf der Haut und ihre harschen Stimmen, verzauberten die Weiber der Burg sofort. Sie hatten imposante Reittiere aus ihrer skandinavischen Heimat dabei.

Mit frechen Sprüchen ärgerten die Kerle die einheimischen Ritter. Manchmal waren sie sogar so frech, dass sie einfach mitten im Gespräch weggegangen sind. Fragte man nach, antworteten sie meist lapidar: „Ich bin gelangweilt.“

Die Männer bekamen Unterschlupf und Proviant auf der Burg, und man öffnete ihnen bereitwillig Tor und Schenkel.

Alianor war fasziniert von den mysteriösen Kriegern und ihrer Kultur. Es war bei ihr der unerschütterliche Glaube daran, echte Liebe verdient zu haben oder das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Sie beobachtete die Nordmänner heimlich und bewunderte ihre Stärke und Tapferkeit. Man begann, bedeckt miteinander zu reden und sich näher kennenzulernen.

Alianor erzählte von ihrem Wunsch nach Abenteuern und ihrer Sehnsucht nach Freiheit und der auserwählte Nordmann wiederum von seinen Kämpfen und Eroberungen. Die fernen, aufregenden Länder wirkten beeindruckend auf die junge Burg-Magd Alianor.

„Du bist min, ich bin din.“ – sie entwickelten eine tiefe Verbundenheit. Als sich Alianor williglich ihrem Nordmann ergab, folgten Küssen, Kosen und das Minnespiel. (Minne, altdeutsches Wort: Liebe)

Die anderen Bewohner jedoch waren skeptisch und misstrauisch gegenüber der Romanze, die Alianor führte.

Heuer, am Tag, in der zweiten Mai-Hälfte öffnete die Burg seine Türen und lud Besucher aus nah und fern ein, an den kirchlichen Festivitäten teilzunehmen.

Während des Festes trat sie vor die Menschenmenge und erklärte mutig ihre Liebe zu dem Nordmann. Alianor appellierte an die Menschen, ihre Vorurteile abzulegen und Liebe und Toleranz zu fördern. Die Worte berührten die Herzen der Menschen aber nicht im geringsten und es kam zum Unvermeidlichen, denn im Mittelalter durfte die wahre Liebe nur Gott gelten!

Alianor wurde nach dem Tod mit ihrem spärlichen Hab und Gut komplett verbrannt und irgendwo im Wald verscharrt. Der hoffnungslos, verliebte Normann sprang in den Fluss und ertrank.

Ich wurde an den Schultern geschüttelt und hörte die Stimme von jemanden. „Hallooo? Fühlst du dich unwohl? Brauchst du medizinische Hilfe?“


Aus süßer Ohnmacht wiederbelebt

Ich spürte ein unsanftes rütteln an meinen Schultern und richtete mich peinlich berührt auf: „Ach Mumpitz!!“ versuchte ich ganz schnell ein Gegenargument zu etablieren. Ein Dornrösschen-Aufwach-Kuss wäre mir allerdings lieber gewesen. Aber wie das heutzutage ja so ist, alles muss einvernehmlich sein und bedarf der gegenseitigen Zustimmung, sonst sendet man wieder falsche Botschaften an die Kinder und Jugendlichen….bla, bla, bla…Kein Wunder, dass heut niemand mehr Prinz sein will. Die arme Sau wird vielleicht dann auch gleich noch verantwortlich gemacht, dass es sexuelle Gewalt und Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft gibt. Oder, wenn es ganz schlecht läuft, küsst ein Prinz einen Prinzen wach.

(Über Kröten und Frösche habe ich mal einen Beitrag geschrieben, wer Lust hat zu lesen: Küsst Frösche… )

Als ich wieder etwas zu mir gekommen war, sah ich mich inmitten eines bunten, mittelalterlichen Treibens. Ich erinnerte mich wieder. Einige Mitglieder des „SAT Fördervereins Meiningen“ und ich hatten sich bei Kaffee und Kuchen auf der alten Burgruine eingefunden, um gemeinsam den Tag zu begehen. Ich hatte Kamillentee im Gepäck, den wollte aber niemand. (Jetzt weiß ich auch, warum 🙂 ) Ich überlegte, ob Kamille neuerdings auch eine halluzinogene Wirkung hat. Ansonsten ist ja bekannt, dass uns die Firma Bayer ständig Gentechnik unterjubelt.

Die original “Rennsteighexe” stand neben mir. Sie trug ein rotes Kleid, das im Mittelalter als besonders exklusiv galt. Bei den Nordmännern allerdings nutzte man rote Kleider als Opferkleider. Andere Länder – andere Sitten. Kulturelle Unterschiede gab es eben schon immer.

Die Rennsteighexe nimmt das Publikum in dem Stück „Die weiße Frau“ , das von uns Laiendarstellern aufgeführt wird, auf eine märchenhafte Reise mit. Sie führt mit Text und Gesang durch das gesamte Theaterstück.

Unser kleines mittelalterliche Spektakel verwandelte am diesjährigen Vatertrag die gesamte Festungsanlage wieder in einen wahrhaft historischen Ort, an dem man Träumen konnte. Der Slogan hätte lauten können: „Sie sind unterwegs und möchten etwas erleben? Dann sind sie zum Vatertag auf der Burgruine Bad Liebenstein genau richtig.“

Den Besuchern wurde unser Theaterstück näher gebracht und man stand für Foto und freundlichen Worten stets zur Verfügung. Jeder war hilfsbereit und aufgeschlossen. Wir erzählten Interessierten über geplante Highlights in der kommenden Aufführung, wie z.B. eine abendliche Feuershow und Show-Kämpfen zwischen Nordmännern und Rittern. Die Aufführung 2023 auf der Burgruine soll das Publikum auf Zeitreise führen. Über alle Altersgrenzen hinaus wird das Stück mit geheimnisvollen Lichtern, Feuern und Fackeln etwas ganz Besonders werden. Das authentische, mittelalterliche Ambiente, vor einer magisch anmutenden Kulisse wird verzaubern. Opulent und bildgewaltig werden die großen und kleinen Ereignisse der Geschichte auf/in/um die Burg dargestellt. Aber auch wenn wir auf einen regionalen Bezug unserer Theaterstücke großen Wert legen, heißt das nicht, dass nur Insider bei uns auf Ihre Kosten kommen. Wir wollen die Zuschauer unseres Stücks „Die weiße Frau“, das einen Musical Charakter haben wird, auf lebendige Weise in die Zeit des Mittelalters um 1076 zurückversetzen.

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Vielen Dank an Dara-Fotografie, Hobbyfotografin aus Meiningen für die wahnsinnig, tollen Fotos. Doppel-Wow! Sie haben wirklich diese grandiose, euphorische, mittelalterliche Stimmung auf der Burgruine eingefangen.

Nun mach ich es aber wie “Volvic” und bin still! Der Beitrag ist ungeplant, überdurchschnittlich lang geworden. Gehabt Euch wohl, ich empfehle mich, euer MondWeib Lissy!

2 Kommentare

    • Lissy

      Guten Abend Ulla, vielen Dank für dein Feedback. Die Welt dreht sich rassant, die Zeit läuft irre schnell. An uns ist es, die schönsten Momente zu genießen und in Erinnerung zu behalten. Daher versuche ich sie mit meinen Texten, gepaart mit tollen Fotos, ein Stück weit festzuhalten. Und die besten Dinge im Leben sind ohnehin die Unbezahlbaren. Ich freue mich auf weitere Gute Zusammenarbeit und vielleicht daraus resultierende, großartige Geschichten. Liebe Grüße, Lissy!

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